wer_ist_wer@oxkonferenz

Name, Ort/Land: Wolf Göhring, Bonn/Germany
E-Mail: wolf.goehring bi.fhg.de  ('@' entfernt -- Spam-Vermeidung!)
Zur Person: Wolf Goehring
Fraunhofer AiS (vormals GMD AiS)
Schloss Birlinghoven
D-53754 St. Augustin, Germany
phone : +49(2241)14-2062
fax: +49(2241)14-2342 
Links: Wolf Göhring
Workshop : freie vernetzte kultur 
Datum/Zeit/Dauer/Raum: 1. Nov. / 16:00 / 3 Std. / Raum MA841
Abstract:

Themen:

1. *************

Sprachen darstellen und lernen im Web. An der uni zuerich gibt's in kooperation mit HU Berlin ein project zum lernen zweier afrikanischer sprachen via internet:
Literatur: ALI - African languages on the internet. (4th international conference on new educational learning environment, Lugano, May 8-11, 2002, session "web-based courseware" 1.3, p. 3-6). http://www.unizh.ch/spw/afrling/aliakan/ und http://www.unizh.ch/spw/afrling/aliswahili/.

In diesem projekt ist englisch die lehr-sprache. Aber das koennten auch ganz andere sprachen sein z.b. tuerkisch oder baskisch oder saamisch. Also z.b. suaheli fuer tuerken, fuer basken, fuer russen, fuer chinesen, ........ Das lernmaterial kann neben text auch wort und video enthalten und schrittweise den zugang zu einem ganzen archiv von bild- und tonmaterial in dieser sprache oeffnen. Die lehrer koennen irgendwo ueber den globus verteilt sein und die per email zurueck geschickten uebungsaufgaben (text und wort) korrigieren.

Das web ermoeglicht es, auch sehr seltene, vom aussterben bedrohte sprachen zu bewahren.

Der sprachendienst der EU betreut rund 16 sprachen, demnaechst mehr, und muss von jeder in jede uebersetzen koennen. Seine materialien (maschinelle uebersetzer, woerterbuecher) sollten oeffentlich und kostenlos zugaenglich sein, so dass darauf "freie sprachkurse" aufsetzen koennen.

2. ****************

Sprachzusammenhaenge. Die universitaeren linguisten spueren auch sprachzusammenhaengen nach. Die studien und ergebnisse koennten und sollten via web popularisiert werden. Ich hab in den letzten monaten mal ganz dilettantisch solchen verwandtschaften nachgespuert. Beispielsweise heisst in einer afrikanischen sprache mit einer nicht-monotheistischen goetterwelt "gott" wodun. (Daher das wort "voodoo-kult" in den beiden amerikas). Die naehe von "wodun" zum germanischen "wotan" ist nun mehr als verblueffend. Spannend waere es, wenn die fuelle der sprachlichen zusammenhaenge auch historisch und oekonomisch eingeordnet, vertieft und auch popularisiert werden koennte. Dies liesse sich auch fuer eine didaktik freier sprachkurse nutzen.

3. *****************

Das Kaffeevideo. Praesentation der Idee, weltweit via Web ein Video zu produzieren, worin man der Frage nachgeht, wie man zu einer Tasse Kaffee kommt.

** Ein wenig Theorie zum Video **

Dieses Video ist, wenn es zustande kommt, in gewisser Weise eine Verschmelzung von Theorie und Praxis zur Frage der Aufhebung der Warenproduktion. (dazu: http://www.opentheory.org/kw48_00-2/text.phtml). In den Szenen und Wortbeitraegen kann die marxistische Sicht der Warenproduktion aufgezeigt werden. Indem die Autoren Szenen aufnehmen, die produktionsnah sind, wird ein idealistischer Touch vermieden. Indem sie die einerseits ineinandergreifende, andererseits durch den Austausch unterbrochene Arbeit zeigen, die Vorbedingung fuer das Schluerfen einer Tasse Kaffee ist, und indem sie gemeinsam vernetzt, aber weltweit verteilt diese Darstellung in einem Produkt, dem Video buendeln, zeigen sie zugleich, wie eine "freie Assoziation" via Web etwas gemeinsames produzieren kann. Das Produkt "Video" ist zwar bezogen auf die "kernige Realitaet", beispielsweise das Trinken einer Tasse Kaffee, nur ein virtuelles Produkt, aber die frei assoziierten Autoren des Videos stehen zumindest mit einer kleinen Zehe immer wieder in dieser Realitaet, weil sie sich mit dieser befassen muessen.

Das Video wuerde die neue Qualitaet dokumentieren, die mit dem Web verbunden ist, denn ohne Web (und die damit verbundene Informations- und Kommunikationstechnik) liesse sich das Video nicht herstellen. Die Form des Zusammenschlusses der Video-Autoren ist von der Freien Software uebernommen. Das Thema geht in doppelter Weise darueber hinaus: Das Video ist anders als ein Stueck Software ein Produkt mit einem viel offensichtlicheren Charakter. Zweitens naehert man sich der eigentlichen Produktion und deren weltumspannenden Zusammenhang. Und dieses ist das zentrale Thema, wenn es um eine neue Gesellschaftsformation geht. Mit dem Viedeo wuerde man sich praktisch an diese Fragen herantasten, anstatt ein neues theoretisches Papier zu dichten, das wieder nur in irgendwelchen Zirkeln gelesen und beliebig missverstanden wird.

** Nun noch zum Inhalt des Videos **

Oertliche Szenen werden von oertlichen Autoren ueber das Web zusammengetragen und zu einem gemeinsamen Produkt, einem Video, gebuendelt, das die zerklüftete und doch so eng zusammenhängende Arbeit auf dieser einen Erde zum Thema hat. Das Video soll ein gemeinsames Produkt vieler Menschen werden. Der eine dreht hier ein Stück und die andere dort ein Stück. Die einzelnen Autoren stellen die Stücke ins Web, binden sie zu einem gemeinsamen Video zusammen, diskutieren und entwickeln den Zusammenhang der Szenen, lassen die Menschen zu Wort kommen, die ins Bild treten. Die Autorinnen machen aus den vielen kleinen Stuecken eine ganze Geschichte.

Das Video soll nicht nur Mutti zeigen, wie sie Pappi den Kaffee in die Tasse gießt, wie Männer in der Kaffeepause an der Kaffeebude stehen und sich den Kaffee in den Kopf schütten, wie in Tiflis, wie in Rom oder Paris, in New Orleans oder in Rio, in Nairobi oder in Mekka der Kaffee gereicht wird, in den Bars, zu Hause oder wie er bei der Arbeit aus dem Kaffeeblech getrunken wird. Das Video soll nicht nur zeigen, wie ein Campesino mit seiner Familie die Kaffeebäumchen pflegt, die Bohnen erntet, sortiert, trocknet, irgendwie vermarktet, wie auf einer Kaffeeplantage die Landarbeiter den Kaffee transportfähig machen. Das Video soll viel mehr zeigen.

Zur Tasse Kaffee gehört auch die Tasse: Den Kaffee in hohlen Hand kochen, das geht nicht. Also, wo kommt die Tasse her, der Wasserkessel? Wie werden diese produziert? Auf welchem Ofen oder Herd, mit welcher Maschine wird das Wasser für den Kaffee erhitzt? Wo kommt diese Maschine her? Der Stahl, der dafür verwendet wurde? Woher kommt das Wasser, durch welche Rohre fließt es? Wer hat die Kaffeemaschine, den Herd gebaut, die Rohrleitung für das Wasser, den Brunnen? Usw.

Das Video soll beispielhaft hier und dort diese Zusammenhänge zeigen, die rund um den Globus reichen, den weltumschließenden Fluß von Stoffen und Gütern, der nötig ist, um zu unserm Schälchen "Heeßen" zu kommen. Das Video kann diese weltumschließenden Arbeiten, die diesen Fluß ins Leben gerufen hat, die ihn in Gang halten, an guten Beipielen zeigen: Da wird der Kaffee zum Hafen gefahren. Der Auspuff des Lastwagens geht zu Bruch, ein neuer Auspuff muß her. Man zeigt die Fabrik, wo der Auspuff hergestellt und ein neues Arbeitsgeraet installiert wird. Das Video zeigt die Arbeiter in jener Fabrik, in der dieses Gerät hergestellt wird, bei ihrer Kaffepause. Usw. Man kann zeigen, wie die Arbeit Hand in Hand geht und wie sie doch wieder auseinandertreibt, wie sie vergessen wird und doch so notwendig war. Wie sich der Arbeiter auf der Kaffeeplantage und das Mädchen, das an den Antipoden "seinen" Kaffee schlürft, so fremd sind wie noch was, verbunden durch die bloße Anzahl einiger Centavos, die die eine zahlt und der andere in seinem Lohn empfängt. Noch nicht einmal die gleichen Geldstücke sind es, die sie hinreicht und die er in die Hand bekommt.

Im Video kann man dieser Fremdheit nachspueren, die durch keine Urlaubsreise aufgehoben wird. Man kann diese persönliche Beziehung ergruenden, wo sie seine Arbeit genießt, sich aber mit "schnöder barer Zahlung" aus der Affäre zieht.