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Name, Ort/Land: Annette Schlemm, Jena/Germany
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Workshop : Freie Menschen in Freien Vereinbarungen 
Diskussionen über die Bedingungen herrschaftsfreier Gesellschaft und die Wege dahin
Zusammen mit: Jörg Bergstedt
Datum/Zeit/Dauer/Raum: 2. Nov. / 16:00 / 3 Std. / Raum MA141
Abstract: Mit diesem Projekt/Workshop auf der zweiten Oekonux-Konferenz soll die Debatte um "Freie Menschen in Freien Vereinbarungen" der Jahre 1999/2000 wieder aufgenommen werden. Damals entstand in der Gruppe Gegenbilder das gleichlautende Buch. Inzwischen haben verschiedene Basisgruppen das Buch diskutiert, Lücken wurden aufgezeigt, Widersprüche entdeckt. Mit der neuen Phase sollen diese diskutiert werden. Ziel ist ein neuer, breit diskutierter Entwurf für die Bedingungen und Formen herrschaftsfreier Gesellschaft. Der Workshop auf der zweiten Oekonux-Konferenz soll den Rahmen der Debatte abstecken:
  • Was sind die Ziele?
  • Wie wollen wir zusammenarbeiten und was entwickeln?
  • Soll am Ende wieder eine Veröffentlichung stehen?
Zeitrahmen auf der Konferenz (Vorschlag): Zwei Phasen:
  • Inhaltliche Debatte
  • Konkrete Planung mit allen an der Weiterarbeit und sonstig Interessierten

Inhaltliches Intro

Eine Gesellschaft "Freier Menschen in Freien Vereinbarungen" ist eine konkrete Utopie, deren genaue Form nicht abgeschätzt werden kann. Zu groß ist der Unterschied zu den herrschaftsförmigen Gesellschaften der Gegenwart und Vergangenheit - und damit zu schwierig die Vorhersagbarkeit des individuellen und sozialen Verhaltens von Menschen ohne Zwangsverhältnisse. Anzunehmen ist, ist nach einem Prozeß des Abbau bekannter Herrschaftsverhältnisse noch weitere zum Vorschein kommen - die Emanzipation, d.h. die Loslösung und Überwindung von Zwängen, von Herrschaft und Beherrschung aller Art, wird ein langer, wahrscheinlich immerwährender Prozeß. Der Entwurf einer einheitlichen Utopie als zukünftiger Gesellschaftsform im herrschaftsförmigen Hier und Jetzt würde eine Vorgabe sein, die eher eine Beschränkung als einer Befreiung gleich käme. Daher sind Zukunftsentwürfe nur Möglichkeiten, jedoch ihre Beschreibung wichtig, da sie beschreiben - wenn auch aus der aktuellen Perspektive -, daß schon jetzt herrschaftsärmere Entwicklungen denkbar und erstrebenswert sind.

Eine abschließende Diskussion über die Details, über Machbarkeit und notwendige Vereinbarungen in der Zukunft wird angesichts des durch Herrschaftsverhältnisse beschränkten Horizontes, der eigenen Zurichtung auf herrschaftsförmige Wahrnehmung von Menschen und Gesellschaft sowie der nicht vorhandenen Erfahrungen kaum zu führen sein. Viele Möglichkeiten werden aus der heutigen Sicht gar nicht vorstellbar sein, so daß eine Festlegung einer Selbstbeschränkung gleich käme. Zudem muß noch ein weiteres Hindernis in der Diskussion ausgeräumt werden. Eine Analyse von Herrschaft und der Entwurf von Ideen und Konzepten einer herrschaftsfreien Gesellschaft muß nicht zu einer perfekten Welt führen. Es reicht, gegenüber dem heutigen Zustand erstens eine spürbare Abnahme von gewaltförmigen Beziehungen zwischen Menschen zu erlangen und zweitens die Situation so zu gestalten, daß ein immerwährender Prozeß möglich ist. Das würde reichen, um die Entwürfe als erstrebenswert zu empfinden und dafür einzutreten.

Die Fragestellung nach einer herrschaftsfreien Gesellschaft ist also nicht die nach dessen exakter Form: Wie sieht eine utopische Gesellschaft aus? Sondern der nach den Verhältnissen: Was fördert heute und in herrschaftsförmigen Gesellschaften die Konkurrenz und untergräbt Kooperation? Oder umgekehrt für die gewollte Utopie: Welche Rahmenbedingungen fördern kooperatives und behindern konkurrierendes Verhalten? Unter welchen Bedingungen gehen Menschen so mit sich und anderen um, daß sie ihre Potentiale entwickeln, das gleichberechtigte Miteinander bevorzugen und die eigene Selbstentfaltung so organisieren, daß sich die anderen Menschen auch selbst entfalten können?

Bei der Beantwortung solcher Fragen kommen viele Menschen zu der Auffassung, daß nur eine starke Moral den Menschen bändigen kann. Der Egoismus des Menschen stehe der Neigung zur Kooperation gegenüber - als Gegenmittel werden der Staat als aufklärerisch-kontrollierender Überbau, eine Religion oder der Appell an die Selbstzügelung genannt. Doch hinter diesen Auffassungen verbergen sich zwei entscheidende Irrtümer:
  • Alle Versuche, statt dem vom Egoismus angetriebenen Menschen ein soziales und am Interesse anderer Wesen zu schaffen, sind Formen der Fremdbestimmung - selbst wenn appellativ an das Gute im Innern angeknüpft werden sollte. Denn schlechtes Gewissen ist Fremdbestimmung, es orientiert sich an Erwartungshaltungen anderer, an Angst und normativen Setzungen. Gesetze, Moral, Esoterik und Religion sind ohnehin Wertesysteme, die von außen kommen und den Menschen steuern.
  • Den Egoismus überwinden zu wollen, bedeutet den Verzicht auf den impulsivsten, energiegeladensten Antrieb des Menschen. Der Versuch wird meistens scheitern, weil der Egoismus zu stark ist. Wo er gebrochen wird, bleibt oft ein kraftloses, persönlichkeitsschwaches Wesen zurück.
Tatsächlich wäre wichtig, genau das stark zu machen und kooperativ zu nutzen, was den Menschen im Kern antreibt: Sein Egoismus, der Wille nach einem besseren Leben, das Bedürfnis nach Sicherheit bzw. Geborgenheit, Lust und Befriedigung, Selbstentfaltung und Innovation - alles also Ziele, die vom Egoismus gespeist werden. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen müssen so sein, daß diese Motivation die freie Kooperation fördert. Wenn es besser für ein gutes Leben usw., kooperativ zu handeln, dann wird das auch eher geschehen. Gesucht sind also Rahmenbedingungen, unter denen der Antrieb zu einem besseren Leben, der Egoismus der Menschen, weitestmöglich das kooperative Verhalten fördert und konkurrierende Beziehungen verdrängt.

Mit dieser Sichtweise erledigt sich auch die Frage nach dem Menschenbild. Was ist der Mensch? Ist er gut oder schlecht, wenn er von Zwängen befreit ist? Mit der Idee der "Freien Menschen in Freien Vereinbarungen" werden nicht die Menschen beschrieben, sondern die Rahmenbedingungen. Es geht um die Frage, welche Rahmenbedingungen maximal kooperatives Verhalten fördern und welche eher konkurrierendes, Dominanz ausübendes Verhalten hervorbringen. Für dieses Ziel ist unerheblich, wie der Mensch an sich ist. So oder so ist das Ziel, kooperatives gegenüber konkurrierendem Verhalten attraktiv zu machen. Das Ergebnis wird der Prozeß zu immer mehr kooperativ-gleichberechtigten Beziehungen zwischen Menschen und der Abbau von Konkurrenz und gewaltförmigen Verhältnissen sein - von welchem Menschenbild und welcher Anfangssituation auch immer ausgegangen wird. Die erhoffte Verbesserung, das mehr an Kooperation und das weniger an Konkurrenz ist die ausreichende Motivation zum Handeln.

Weitere Informationen

Kontakt

Gruppe Gegenbilder, c/o Projektwerkstatt, Ludwigstr. 11, 35447 Reiskirchen-Saasen, 06401/903283, projektwerkstatt@apg.lahn.de.